Sr. Josefa hat das 80. Lebensjahr bereits vollendet, Sr. Hedwiga steht kurz davor. Beide feierten zusammen mit drei weiteren Schwerstern vom Berg, die in diesem Jahr 80. Jahre werden, ihren Geburtstag mit allen Bewohnern und Mitarbeitern des Raphaelsheimes. Wer mehr über die beiden wissen möchte, kann gerne weiterlesen.
Sr. Josefa Schäfer stammt aus Krombach. Hier wuchs sie als vorletztes Kinder von 8 Geschwistern auf. „Nur der älteste war ein Junge“, lacht sie, „sonst alles nur Mädchen!“ Der Vater war Schneider. Zwei Nähmaschinen gab es im Haus. Oft drängten sich die Mädchen um ihn, wenn er auf dem großen Tisch im Schneidersitz arbeitete. Das war eine gute Gelegenheit, ihn nach den Lösungen der Hausaufgaben zu fragen. Die Mutter hatte alle Hände voll zu tun mit dem Haushalt und der kleinen Landwirtschaft, die damals zu jedem Haus im Dorf gehörte. Da der Vater immer zu Hause war, hatte die Familie den Küsterdienst übernommen. Die Kinder liefen am Sonntagmorgen zur Kirche um aufzuschließen und anschließend im Handbetrieb die Glocken zu läuten. Ihr Vater richtete alles für die Messe her.
Ein wenig stolz erzählt Sr. Josefa, dass sie nicht die einzige aus der Familie ist, die den Ordensberuf gewählt hat. Die Jüngste gehört als Sr. Bernwarda ebenfalls den Bergschwestern an. Von den älteren ist eine als Sr. Maria Josefa im Orden es Hl. Camillus in Düren, und eine als Sr. Maria Huberta bei den Schönstadtschwestern. Sr. Josefa selbst hat im Alter von 22 Jahren bei den Bergschwestern ihr Postulat begonnen, dann das zweijährige Noviziat absolviert. Als sie die ersten Gelübde abgelegt hatte, wurde sie 1964 für zwei Jahre als Vertretung für eine Mitschwester ins Raphaelsheim geschickt. Dieser Aufgabe schlossen sich mehrere Jahre im Bergkloster an, wo sie sich um den Haushalt und das Nähzimmer kümmerte. Es folgten 6 Jahre in der Schwesternstation in Kefferhausen, zu der das damalige Kinderheim, ein Kindergarten mit 50 Plätzen und 8 pflegebedürftige Senioren gehörten. „Es war eben alles zusammen: Kinder, Sozialstation, alte Menschen. Es war nicht so getrennt wie heute“, erinnert sie sich. Kurz vor der Wende wurde Sr. Josefa als Vertretung in der Schwesternstation in Jützenbach im Sperrgebiet gebraucht. Auch hier galt es, sich um Hortkinder und um eine KiTa zu kümmern. Aus den 6 anvisierten Wochen wurden 9 Jahre. Als die Station 1998 aufgelöst wurde, zog Sr. Josefa ins Raphaelsheim. „Damals waren wir hier noch 6 Schwester! Heute nur noch zwei. Wir wurden anfangs immer hin und her geschoben,“ erzählt sie, „da zu der Zeit alle Häuser umgebaut wurden. Mal wohnten wir im Sonnenhof, dann wieder im Nähzimmer. Am Ende schließlich im Haus Aufderbeck. Seit 2000 haben wir unsere Zimmer unter dem Dach.“ Trotz der bewegten und ruhelosen Zeiten ist Sr. Josfa gern im Raphaelsheim: „Ich bin sehr zufrieden mit allem, was ich noch tun kann, Kapelle und Küsterdienst. Und sehr viel Freude habe ich am Vorgarten und an den Blumen!“
Sr. Maria Hedwiga Heckeroth ist ebenfalls im Eichsfeld, in Martinfeld, als mittlere von drei Schwestern aufgewachsen. Sie erinnert sich, dass ihr Vater als Ingenieur für Brückenbau stets unterwegs und nur am Wochenende zu Hause war. Für die kleine Landwirtschaft spannte die Mutter die beiden Kühe vor Pflug oder Wagen und trug so zum Lebensunterhalt für die Familie bei. Besonders eingeprägt haben sich Sr. Hedwiga die Abgaben, die an staatliche Stellen zu leisten waren. „Wir mussten von allem, von Milch, Getreide, Gemüse und Eiern einen bestimmten Prozentsatz abgeben. Sonst hätten wir keinen Schlachteschein bekommen, um die Schweine, die wir selbst großgezogen haben, zu verarbeiten.“ Was darüber hinaus erwirtschaftet wurde, konnte als sogenannte freie Spitzen an Konsum oder HO verkauft werden. „Das hat dann richtig Geld gebracht.“ Neben der Landwirtschaft, dem Haushalt und den Kindern kümmerte sich die Mutter um die Oma, die mit weit über 80 im selben Haus lebte. Nach Abschluss der Hauptschule besuchte Sr. Hedwiga gemeinsam mit Sr. Josefa die Berufsschule in Ershausen, wo vor allem Landwirtschaft unterrichtet wurde. Sommer wie Winter musste sie mit dem Fahrrad die Strecke zur Schule bewältigen. „Wenn es zu kalt war, habe ich immer die Hände die Taschen gesteckt und bin freihändig gefahren“, lacht sie. Dann gingen beide getrennte Wege. Als Sr. Hedwiga 1963 im Bergkloster ihr Ordensleben begann, traf sie wieder auf Sr. Josefa und rief überrascht. „Was machst denn du hier?“ Noch während des Noviziats begann sie ihre Ausbildung zur Krankenschwester. Im Anschluss folgte ein erfülltes, aufregendes Leben als Gemeindeschwester in Wingerode. „Es war eine schwere, zugleich aber auch schöne Zeit“, erinnert sich Sr. Hedwiga. Zuerst mit dem KR50, dann mit einer Schwalbe und später mit dem Trabbi fuhr sie von Haus zu Haus. „Wir haben nicht nur die Leute behandelt, sondern auch die Tiere gleich mit, egal ob Hunde, Katzen oder die Pferde.“ Für die meisten Wohnungen hatte die Gemeindeschwester einen Schlüssel und konnte sich so problemlos um die Großeltern im Hause kümmern, wenn die Angehörigen auf Arbeit waren. „Ich kannte mich in den Schränken besser aus, als die Leute selbst.“ Wenn jemand krank wurde, fühlten sich nicht zuerst die Ärzte zuständig. „Gehen Sie zur Gemeindeschwester, die sagt mir dann, was los ist“, hieß es häufig. Sr. Hedwiga kümmerte sich nicht nur um die Lebenden, sondern auch um die Verstorbenen. „Damals wurde zu Hause gestorben. Das mit dem Krankenhaus kam erst später.“ Weiß sie noch. Nicht nur das Waschen und Ankleiden der Toten gehörte zu ihren Aufgaben, sondern auch deren Sterbebegleitung. Bei bis zu 20 Personen im Jahr war das eine zusätzliche Belastung für die damals knapp 28 Jahre junge Frau.
Ähnlich wie in Wingerode gab es 27 Schwesternstationen auf den Dörfern im Eichsfeld. Drei bis vier Schwestern lebten in einer solchen Niederlassung, zu deren Aufgaben die Krankenpflege, die Förderung der Kleinen in Kindergärten, die Betreuung von alten Menschen, der Religionsunterricht, Küsterdienst und die Sorge um die Kirchenwäsche gehörten. „Wir kannten die ganze Familie, die Kinder, die Eltern und die Alten“, trauert Sr. Hedwiga der Zeit ein wenig nach. Mit der Wende wurde die Schwesternstationen in Sozialstationen umgewandelt. Die Zentrale war in Worbis. Von dort aus strömten Altenpflegerinnen und Krankenschwestern täglich in die umliegenden Orte aus, um die alten Menschen zu Hause zu versorgen. Zu der Zeit waren nur noch drei Ordensschwestern in der Sozialstation beschäftigt. Die Berufungen gingen mehr und mehr zurück. Sr. Hedwiga kümmerte sich neben der Arbeit in Worbis erst um die ehemalige Schwesternstation in Hüpstedt, wo es hauptsächlich galt, Kinder einer KiTa zu versorgen. Nach einem Jahr ging es weiter nach Deuna, wo sie im Schwesternhaus für die KiTa und die Krankenpflege zuständig war. Als nach Jahren auch diese Schwesternstation aufgelöst werden musste, wurde im Raphaelsheim eine medizinische Fachkraft benötigt. Am 1. September 1998 kam Sr. Hedwiga hier an und traf wieder auf Sr. Josefa, mit der sie am vergangenen Sonntag nach 20 Jahren Dienst gemeinsam 80. Geburtstag gefeiert hat. Auf die Frage, was Sr. Hedwiga an ihrer Arbeit im Raphaelsheim am besten gefällt, antwortete sie: „Ich bin gern bei den behinderten Menschen, um ihnen ein Zuhause zu geben.“